Oliver Salmen von der Seite deine-stoffwindel.com setzt sich ehrenamtlich für das wichtige Themen Stoffwindeln und Nachhaltigkeit ein und hat gemeinsam mit seiner Frau das Projekt erfolgreich vorangebracht. Inzwischen sind auch Namenhafte Unternehmen auf sein Projekt aufmerksam geworden. Wir versuchen uns im Interview seiner Idee und seinem Idealismus zu nähern.
Lieber Oliver, du wirst es vermutlich schon oft gehört bzw gefragt worden sein, aber erzähle uns doch bitte zu Beginn etwas über euer Projekt und wie es am Anfang gestartet ist.
Meine Frau Katharina und ich sind die Begründer des Blogs www.deine-stoffwindel.com, welcher über die umweltbewusste Windelalternative aufklärt und sich für den Stoffwindelzuschuss einsetzt.
Wir sind beide 31 Jahre jung, wohnen in Berlin und sind durch die Geburt unseres dreijährigen Sohnes auf das Windelmüllproblem aufmerksam geworden. Immer wieder hinterfragen wir unseren eigenen Konsum kritisch und setzen uns mit den Konsequenzen unseres Handelns auseinander. Wir überlegen bewusst, worauf man nicht verzichten kann und machen es dann in anderen Bereichen besser.
Katharina und mir ist aufgefallen, dass sich viele Eltern gar nicht über den enormen Windelmüll im Klaren sind. Dazu kommt, dass diese 3,5 Milliarden Windeln pro Geburtsjahrgang so leicht mit der Benutzung von Stoffwindeln vermieden werden könnten – leider wissen noch viel zu wenige Eltern von der Alternative Bescheid.
Über eure Webseite generiert ihr nicht aktiv Einnahmen, sondern beispielsweise über die Empfehlung von Anbietern. Kannst du vielleicht für Außenstehende kurz erklären wie das funktioniert und was die Idee dahinter ist?
Man spricht von „Affiliate Marketing“. Das bedeutet, dass wir eine kleine Provision bekommen, wenn ein Kunde über unsere Seite zu dem Shop gelangt und dort etwas kauft. Mit dieser kleinen Einnahmequelle finanzieren wir beispielsweise Werbemittel oder IT. Auch Weiterbildungen konnten wir damit bereits finanzieren z.B. für ein Familienzentrum in Aschaffenburg und einem Kita Verbund in Harsewinkel.
Wir arbeiten gerne mit vielen Händlern und Herstellern zusammen, möchten aber auch den kleineren Unternehmen eine Chance geben bei uns sichtbar zu werden – daher nehmen wir nicht pauschal große Geldsummen für eine Platzierung, wie es im Regelfall im Internet gemacht wird.
Grundsätzlich sehen wir unser Projekt nicht als Methode, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern machen es der Sache wegen. Da wir aber bereits sehr viel unserer Zeit aufwenden, versuchen wir durch „Affiliate Marketing“ nicht noch eigene Gelder aufzubringen, um unsere Ziele zu erreichen.
Der Stoffwindelzuschuss als wichtiger zentraler Punkt
Was ist ein Windelzuschuss und warum ist er noch nicht in allen Städten Deutschlands etabliert? Was sind die Hürden? Wie ist dein Ausblick in die Zukunft? Was soll noch erreicht werden?
Der Stoffwindelzuschuss soll von Städten, Landkreisen bzw. Müllverbänden gezahlt werden, die die Anschaffung von Stoffwindeln ihrer BürgerInnen subventionieren.
Der politische Einsatz zur Verbreitung des Stoffwindelzuschusses war unser Hauptantrieb das Projekt zu starten.
Wie auch im aktuellen Abfallvermeidungsprogramm des Bundesumweltministeriums mit dem Titel „Wertschätzen statt Wegwerfen“, wird nachhaltiges Handeln von Staat und Gesellschaft gefördert. Es wird in dem Programm betont, dass die Deutschen zwar im Bereich Recycling sehr gut aufgestellt sind, aber unser Hauptziel trotzdem die Vermeidung jeglichen Abfalls sein muss.
(für mehr Informationen siehe: https://www.bmu.de/themen/wasser-abfall-boden/abfallwirtschaft/wertschaetzen-statt-wegwerfen/ )
Die erste Stufe der fünfstufigen Abfallhierarchie gemäß § 6 des Kreislaufwirtschaftsgesetz bezieht sich auf die Vermeidung von Abfall. Diesem wichtigen Vorsatz des deutschen Abfallrechts wird aber nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Wir diskutieren zwar über Coffee to go Becher und Plastiktüten, aber eines der am häufigsten verwendeten Einwegprodukte ist die Windel! Sie findet trotz ihren 10% Anteil am Restmüll wenig Präsenz in den Diskussionen.
Die BürgerInnen der Städte mit bereits eingeführtem Stoffwindelzuschuss profitieren von der Subvention: Dort hat die Kommune die Müllproblematik der Wegwerfwindel erkannt und fördert die Verhaltensänderung. Da die erhöhten einmaligen Anschaffungskosten oftmals abschreckend auf Eltern wirken, machen Fördergelder in diesem Bereich Sinn.
Eine Übersicht mit den Städten, die bereits einen Stoffwindelzuschuss anbieten, findest du unter: https://deine-stoffwindel.com/staedte-windelzuschuss/
Wir wollen auch gerne größere Städte von dem Stoffwindelzuschuss überzeugen. Das ist allerdings langwieriger und schwieriger durchzusetzen, aber wir sind optimistisch, dass wir den Zuschuss in den nächsten Jahren weiterbringen werden.
In unserem Telefonat hatten wir auch über die Gründung eines Vereins für Stoffwindeln gesprochen. Kannst du darauf bitte kurz eingehen und den Leuten erklären was es damit auf sich hat?
Seit Anfang 2021 gibt es wieder den konkreten Plan, einen Verein für Stoffwindeln zu gründen. Motiviert durch Greta von stofftuerlich.de/ haben sich ein paar StoffwindelberaterInnen zusammengeschlossen und eine Satzung erarbeitet. Der Verein wird auch als Priorität die Öffentlichkeitsarbeit haben, deshalb werden wir ihn unterstützen.
Wie viel Zeit investiert ihr aktuell in euer Projekt?
Als ich 2018 in Elternzeit gegangen bin, habe ich in der ersten Phase nächtelang an unserem Projekt gearbeitet. Da kamen mit Sicherheit 30-40 Stunden zusammen. Mittlerweile sind meine Frau und ich beide wieder berufstätig und auch unser Sohn soll nicht zu kurz kommen, weshalb wir meist abends arbeiten und bspw. die zahlreichen Mails beantworten. Der Zeitaufwand beläuft sich also geschätzt auf 10 Stunden pro Woche.
Ehrenamtliches Engagement für ein Thema, was uns alle angeht
Was siehst du für Entwicklungsmöglichkeiten für den deutschen Markt?
Leider hat die Stoffwindel bisher einen sehr geringen Marktanteil im einstelligen Prozentbereich. In vielen Großstädten sehen wir aber eine positive Entwicklung der Anzahl von StoffwindelbenutzerInnen – die Bereitschaft, sich mit nachhaltigen Themen auseinanderzusetzen und seinen eigenen Konsum zu hinterfragen, steigt!
Bei etwa 780.000 Geburten pro Jahr entstehen leider gigantische Müllmengen und unser Ziel ist möglichst viele dieser Müllwindeln zu vermeiden. Dass uns das nicht zu 100% gelingen wird, ist uns durchaus bewusst, wir sehen aber noch viel Potenzial.
Wo sind uns andere Länder im Bereich der Stoffwindeln noch voraus?
In anderen Ländern sehen wir bereits größere Stoffwindelunternehmen, welches den Vorteil hat, dass diese auch mehr Geld in Marketingkampagnen investieren können und somit mehr Leute erreichen können. Ein gutes Beispiel wäre bambinomio – sie sind groß genug, um Drogeriemarktketten wie bspw. dm oder Rossmann zu beliefern und leisten zusätzlich in Großbritannien und darüber hinaus viel positive Arbeit.
Was sind die ersten Schritte, die Eltern unternehmen sollten, wenn sie sich mit dem Thema Stoffwindeln auseinandersetzen?
Es gibt viele Möglichkeiten, sich kostenlos im Netz zu informieren. Das Angebot von Stoffwindelblogs oder auch YouTube-Kanälen ist groß und man kann sich schnell einen Überblick über das Thema verschaffen und sich einlesen. Dann könnte man im zweiten Schritt auf ein/e BeraterIn eingehen, um individuell und angepasst an den eigenen Lebensstil die beste Stoffwindeloption zu wählen.
Vor deinem finalen Kauf gibt es auch die Möglichkeit in Form eines Mietpaketes unverbindlich verschiedene Stoffwindelsysteme zu testen. Im Internet gibt es verschiedene Anbieter, die so eine „Stoffwindel-Probefahrt“ anbieten, welche die Entscheidung für die passende Stoffwindel erleichtert.
Der Anteil der Eltern die Stoffe in Deutschland nutzen ist relativ gering. Was denkst du ist der Hauptgrund dafür? Und welche Methoden gibt es Vorbehalten aktiv und effektiv entgegenzuwirken?
Leider gibt es immer noch viele Vorurteile, zum Beispiel von aufwändigem Auskochen der Windeln und komplizierten Falttechniken. Das ist aber Quatsch. Die Anwendung einer Stoffwindel erfolgt babyleicht und es gibt auch Windelsysteme, wie die All-In-One Stoffwindel, die genauso wie eine Wegwerfwindel funktionieren – der einzige Unterschied besteht darin, dass man die Windel nach dem Benutzen wäscht anstatt wegzuschmeißen.
Wahrscheinlich sind auch viele Eltern abgeschreckt, da sie Stoffwindeln unhygienisch oder ekelig finden. Allerdings muss man nichts abkratzen oder von Hand abwaschen, da der Muttermilchstuhl von Babys wasserlöslich ist – also rein in die Waschmaschine und fertig!
Das Benutzen von Stoffwindeln ist nur eine Änderung der Gewohnheit, man kann sich schnell daran gewöhnen und direkt den immens hohen Windelmüll verhindern.
Bietet ihr direkt Schulungen für interessierte Kunden und Eltern an?
Nein. Wir geben nur Denkanstöße, gewähren einen ersten Einstieg ins Thema und versuchen mit unserem politischen Engagement den Stoffwindelzuschuss durchzusetzen. Langfristig sehen wir Stoffwindel-Shops selber oder aber StoffwindelberaterInnen in der Beratungsfunktion.
Wird es in der Zukunft eine Ausbildung zur Stoffwindelberaterin zum Stoffwindelberater bei euch geben?
Nein, da wir glauben, dass es bereits gute Angebote gibt. Gerne verweisen wir auf die Stoffwindel Akademie, da wir hier von der Qualität der Inhalte überzeugt sind.
Gibt es noch Themen unabhängig von den Stoffwindeln, die euch am Herzen liegen? Wie geht ihr mit dem Thema Zero waste um?
Generell machen wir uns gerne Gedanken um unseren Konsum, doch verzichten auch nicht auf alles – zum Beispiel Reisen macht uns Spaß, aber ist aus ökologischer Sicht betrachtet auch nicht die beste Beschäftigung.
Grundsätzlich sind wir gegenüber Zero Waste sehr aufgeschlossen und engagieren uns zusätzlich im Bereich des Foodsharings, der alternativen Monatshygiene und reflektieren bzw. optimieren regelmäßig unseren Verbrauch.
Gebrauchte Stoffwindeln: was empfiehlst du Eltern, wenn Sie auf der Suche nach gebrauchten Stoffwindeln sind?
Man kann auf vielen verschiedenen Wegen gebrauchte Stoffwindeln erwerben – entweder auf Internet-Plattformen wie ebay Kleinanzeigen, Mamikreisel etc. oder aber über Freunde/Bekannte.
Dabei ist wichtig, dass man sich über alle Mängel im Klaren ist, also vorher auf Gebrauchsspuren an Verschluss, Bündchen oder auch Löcher, Flecken, offene Nähte oder Undichtigkeit achtet.
Der Verkäufer sollte auf alle Fälle vertrauenswürdig sein, bestenfalls gute Bewertungen und auch genügend Bilder der zu verkaufenden Stoffwindeln haben.
Lieber Oliver, vielen Dank für Deine Zeit und den spannenden Einblick. Wir sind uns sicher, dass ihr euer Projekt auch in Zukunft weiter erfolgreich voranbringen könnt.